Geschichte unserer Stadt
Gladenbach war im Mittelalter Gerichtsort eines Hundertschaftsbezirks an oberer Salzböde und Allna. Als solcher wurde er 1237 erstmals urkundlich erwähnt. Der Gerichtsbezirk war damals Bestandteil der Grafschaft Rucheslo, die den Edelherren von Merenberg gehörte. Die Stadt führt deshalb heute noch das Merenberger Kreuz in ihrem Wappen. 1323 kam dieser Gerichtsbezirk zu Hessen und wurde gegen Ende desselben Jahrhunderts in ein selbständiges Amt umgewandelt. Die Amtsverwaltung bezog angesichts der unsicheren Zeiten – die Ritter hatten sich zu Bünden gegen den Landesherrn verschworen, und die Auseinandersetzung zwischen Hessen und Nassau um die Vorherrschaft in unserem Raum war noch im Gange – die Burg Blankenstein.
Die Burg war einst zum Schutz und zur Überwachung der vom Lahntal kommenden Siegener Hohen Straße, später auch Brabanter Straße genannt, errichtet worden. Die Burg Blankenstein wurde 1247 von Landgräfin Sophie, Herzogin von Brabant zerstört. Sie wurde jedoch bald danach wieder aufgebaut. Seit der Aufnahme der Amtsverwaltung ist ihre Geschichte mit Gladenbach aufs engste verbunden.
Nach Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen mauserte sich die Burg zum Schloß. Sie wurde Nobelherberge, in der sich die Landgrafen eigens eine Suite reservierten. Landgräfin Anna gebar hier 1471 und 1473 ihre Kinder Wilhelm und Mechthild. Landgraf Wilhelm III. hielt sich auf dem Blankenstein besonders gern auf. Auch andere Fürsten und Adlige lud die reizvolle Landschaft zum Verweilen ein. Herzog Friedrich von Braunschweig-Lüneburg blieb 1457 einige Zeit mit seinem Gefolge auf dem Schloß, und für den Erzbischof Ruprecht von Köln wurde es gar zur Prominentenhaftanstalt. Er lebte hier gezwungenermaßen von 1478 bis zu seinem Tode im Jahre 1480. Seinen Leichnam brachte man nach Neuß am Rhein, die Eingeweide setzte man, weil der Kirchenfürst verbannt war, nicht auf dem Gladenbacher Kirchhof, sondern unter einer Linde vor dem Blankenstein bei. Phillipp der Großmütige verbarg auf unserem Schloß 1527 seinen Freund, den Herzog Ulrich von Württemberg, vor den Nachstellungen des Kaisers.
Ausgerechnet der auf dem Blankenstein geborene und häufig gesehene Gast, Landgraf Wilhelm III. war es, der die Feste durch einen Ausbau des Marburger Schlosses ihrer Attraktivität beraubte. Die Prominenz ließ sich fortan nicht mehr sehen. Dafür wurden um so häufiger Kriegsgefangene zwangseingewiesen. Der Amtmann errichtete Ställe innerhalb der ehrwürdigen Ringmauern und hielt Schweine und Kühe.
Trotzdem blieb der Blankenstein ein bedeutendes Verwaltungszentrum, dem auch die Wahrung der landgräflichen Rechte im Breidenbacher Grund und später die Verwaltung über jenen Bezirk übertragen wurde.
1648 errichtete man in den Ruinen des im Jahre zuvor zerstörten Schlosses ein neues Amtshaus, das die Amtsverwaltung 1770 aufnahm. Sie zog dann in den Ort um.
Der einstigen Bedeutung als Verwaltungs- und Kirchenzentrum entsprachen auch die Gerichte in Gladenbach. Das ordentliche, »ungebotene« Rügegericht hob sich schon im Mittelalter von anderen dadurch ab, daß es nicht drei, sondern fünfmal im Jahre tagte und statt mit neun mit zwölf Schöffen besetzt war. Der Gladenbacher Flurname »Die Galgenäcker« bestätigt, daß hier zum mindesten zeitweise auch die peinliche Gerichtsbarkeit ausgeübt wurde.
Einmal im Jahre tagte ein kirchliches Sendegericht und in hessischer Zeit ein für ganz Oberhessen zuständiges Eigengütergericht »vor der Brücke der Burg Blanckenstein«. Das dazugehörige Eigenrügegericht trat alle sieben Jahre unter dem Vorsitz des Amtmanns von Blankenstein in Obereisenhausen zusammen.
Gladenbach behielt auch nach dem Ende der Ämterverfassung im Jahre 1821 seinen Mittelpunktcharakter bei. Es wurde für viele Jahre Verwaltungssitz eines Landratsbezirks und eines Landgerichtes, dann kam es zum neugeschaffenen Kreis Biedenkopf. Das Gericht wurde Amtsgericht und ist heute eine Nebenstelle des Amtsgerichts Biedenkopf.
In Gladenbach fand schon früh eine gewerblich-kaufmännische Orientierung statt. So gab es z. B. zwischen 1800 und 1850:
24 Handelsjuden
141 Handwerker
13 kaufmännische Berufe
31 Landwirte
60 Tagelöhner
Das lag daran, daß sich Gladenbach schon im Mittelalter durch die Burg und durch Märkte zu einem wirtschaftlichen Zentrum entwickelt hatte. Andererseits aber stand der Ort auch wieder so stark im Schatten der Burg, daß er erst 1937 Stadtrechte erwarb.
In den umliegenden Dörfern, den heutigen Stadtteilen, dominierte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Landwirtschaft.
Nur in Rachelshausen, Römershausen und Runzhausen und bis zu einem gewissen Grade auch in Bellnhausen spielte bis zum vorigen Jahrhundert der Abbau von Eisen-, Kupfer- und Nickelerzen eine gewisse Rolle.
Eine vorindustrielle Entwicklung aber finden wir nur im Salzbödetal, wo wenigstens ein Teil der benötigten Energie in Form von Wasserkraft zur Verfügung stand. In Weidenhausen, Erdhausen und Mornshausen drehten sich neben den üblichen Getreidemühlen auch Färber-, Poch- und Schmelzmühlen als Vorläufer späterer Verhüttungsbetriebe.
Auch Gladenbach war von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen. Man baute hier im 16. Jahrhundert Silbererze ab, die in einer Pochmühle zerkleinert und in Mornshausen ausgeschmolzen wurden. Die dazu benötigte Energie lieferten die Köhler des Seibertshäuser Waldes in der Gemarkung Weidenhausen und der Allberge in den Gemarkungen Rachelshausen und Runzhausen.
Aus dem gewonnenen Silber wurden in Kassel so viele Münzen geprägt, daß Gladenbach zeitweilig als die größte Silberfundstätte Hessens galt. In den Jahren 1584–1587 durften deshalb hier auch Ausbeutetaler geschlagen werden. Sie gelten heute unter Numismatikern als wertvolle Rarität.
Die heutige Stadt Gladenbach entspricht, bedingt durch die Gebietsreform, bis auf den Stadtteil Weitershausen, einem früheren "Untergericht", das nach der Entstehung des Amtes Blankenstein aus Gründen einer übersichtlichen Verwaltung, einer besseren Erfassung der Abgaben und einer gerechteren Verteilung der Lasten neben einem "Obergericht" auf dem Papier von Salbüchern und Registern zu finden ist. Die Stadt Gladenbach, mit seinen 15 Stadtteilen, ist also das Produkt eines jahrhundertlangen Prozesses.